Der israelitische Begräbnisverein Bödigheim - Jüdischer Friedhof Bödigheim

Der israelitische Begräbnisverein Bödigheim

Ein solch großer und bedeutender Bezirksfriedhof machte Strukturen der Verwaltung und Organisation notwendig. In Bödigheim geschah dies spätestens ab dem 18. Jahrhundert mittels eines sogenannten Begräbnisvereins.

Dieser setzte sich im Jahr 1753 aus den Personen mit Namen Wolf (Bödigheim), Jakob (Eberstadt), Samuel (Adelsheim) Mordechai (Eicholzheim), Lipmann und Hermann David (beide Rosenberg) zusammen. Die Forderung von mehreren Gemeinden im Jahr 1829 vom Begräbnisgeld befreit zu werden, mündete in der Änderung der Belegungspraxis und in einer formellen Neugründung des Bödigheimer Begräbnisvereins. Hierzu wurden von den Beleggemeinden des Friedhofs bis zum April 1860 Statuten erarbeitet, die zu der Verbesserung des Begräbnisplatzes führen sollte und die der Bödigheimer Synagogenvorstand Samuel Strauß am 22. Mai 1860 dem Bezirksamt Buchen zur Genehmigung übergab. Vor der Bestätigung verlangte das Bezirksamt jedoch noch die Klärung im Punkt des aufzustellenden Vereinsdieners. Bis zu diesem Zeitpunkt versah der Religionslehrer und Gemeindeschreiber in Bödigheim Samuel Steinhardt die Stelle des Friedhofsaufsehers. Dessen Aufgaben, die in einem Vertrag zwischen der israelitischen Gemeinde Bödigheim und Steinhardt geregelt waren, sollte nun laut den Statuten ein Vereinsdiener übernehmen und Steinhardt befürchtete die ihm auf Lebzeiten versprochene Stelle und das dazugehörige Einkommen zu verlieren. Synagogenvorstand Strauß erklärte indessen wenig später, dass niemand beabsichtige habe, Steinhardt in seiner Position in Abruf zu stellen. Wenn Steinhardt alle geforderten Aufgaben übernähme, wäre die Anstellung eines weiteren Dieners unnötig und Steinhardt könnte den Dienst als Vereinsdiener besorgen. Schlussendlich wurde Steinhardt als Vereinsdiener gesondert in die Statuten aufgenommen und das Bezirksamt genehmigte sie. Dieses 16 Seiten starke Schriftstück regelte in 9 Abschnitten und 41 Paragrafen die Zusammenstellung, aber vor allem die Aufgaben des Vereins und deren Mitgliedsgemeinden und Verantwortlichen. Im ersten Paragrafen wurde der Zweck des Vereins deutlich hervorgerufen, der schließlich auch die (Neu-)Gründung bedingt hatte:

„Der Zweck des Vereins ist, das bereits als Eigenthum besitzende Begräbniß zu Bödigheim durch gemeinschaftliche Beiträge und eine sichere und geordnete Verwaltung, als anständige und religiös entsprechende Begräbnißstätte für alle Betheiligten zu erhalten.“

Die 15 Mitglieder des Vereins und somit Miteigentümer des Friedhofs Adelsheim, Angeltürn, Bödigheim, Buchen, Eberstadt, Eubigheim, Hainstadt, Groß- und Kleineicholzheim, Rosenberg, Sennfeld, Sindolsheim, Walldürn, Strümpfelbrunn (hier die Familien Alexander, Joseph und Isack Marr, J. Dreifuß, Östreicher, Liebmann Götz und Heium Monat) und Mosbach (hier die Familien S. H. Kaufmann, Meier Kaufmann und Wolf Marr) hatten verschiedene Beiträge beispielsweise in Form von einem sogenannten Einkaufsgeld zu entrichten, das sich in der Höhe an den Einbringungsbetrag der Braut orientierte. So hatte ein Angehöriger der Gemeinde, der sich verehelichte, oder jemand, der sich mit seiner Familie in einer der Mitgliedsgemeinden niederließ, 2 Gulden und 30 Kreuzer zu zahlen, wenn das Einbringen der Braut ausschließlich der Ausstattung anerkanntermaßen nicht mehr als 1.000 Gulden betrug. Sollte der Betrag über 1.000 Gulden liegen, wurde für jede weitere 100 Gulden 9 Kreuzer zusätzlich veranschlagt. Bei einem Todesfall wurden von eingekauften Mitgliedern 1 Gulden, bei Kindern unter 5 Jahren nur 30 Kreuzer eingezogen.

Der Verwaltungsrat des israelitischen Begräbnisvereins Bödigheim, der die Geschäfte des Vereins zu leiten hatte, setzte sich aus 5 Personen zusammen, von denen 2 aus Bödigheim und 3 aus den übrigen Gemeinden stammen sollten. Der Verwaltungsrat wiederum wählte aus seiner Mitte einen Vorsitzenden und einen Kassier, der ebenfalls aus Bödigheim stammen sollte. Alle Verwaltungsratsmitglieder wurden auf 6 Jahre verpflichtet und waren nach Ablauf der Dienstzeit erneut wählbar. Die Arbeit im Verwaltungsrat war Ehrensache und wurde nicht entlohnt. Auswärtige Mitglieder konnten jedoch aufgrund ihrer Anreise eine Tagegebühr von 45 Kreuzer geltend machen.

Der Vorsitzende leitete vor allem die Sitzungen und erteilte dem Kassier die Anweisungen über Einnahmen und Ausgaben des Vereins. Der Kassier wiederum führte ein Kassenbuch und war für die korrekte Buchführung verantwortlich. Der Vereinsdiener hatte sich um die Instandhaltung des Friedhofes und der Gräber sowie um die Organisation der Begräbnisse zu kümmern. Hierfür wurde ihm, besonders für die Aufgabe der Grabpflege, auch ein christlicher Diener bzw. Totengräber zur Seite gestellt. Zusätzlich hatte er noch ein Gräberbuch zu führen. Der Vereinsdiener hatte nicht nur ein fixes, jährliches Gehalt von 10 Gulden, sondern hatte zudem für das Stellen und Beschriften des Sterbebrettchens mit Namen, Wohnsitz, Sterbe- und Begräbnistag des Verstorben von den Leidtragenden 10 Kreuzer und für das Setzen von Grabsteinen vom Eigentümer 1 Gulden zu erheben. Blickt man auf diese verschiedenen Einnahmequellen, wird es verständlich, dass der Religionslehrer Steinhardt diese Stelle nur ungern verlieren wollte. Zuletzt hatte der Kontrolleur die Aufgabe, die Anmeldungen bei Sterbefällen zu empfangen, die Einkaufstaxen über den Vorsitzenden an den Kassier anzuweisen und schlussendlich eben den Kassier und Vereinsdiener mittels doppelter Buchführung zu kontrollieren.

Die Statuten von 1860 geben aber nicht nur Aufschluss über die innere Organisation des israelitischen Begräbnisvereines, sondern sie enthalten auch Auskünfte über das Verfahren bei einem Todesfall. Sobald der Leichenbeschauer die geplante Beerdigungsstunde im Todesschein angegeben hatte, war nämlich dem Kontrolleur Anzeige über den Trauerfall zu erstatten und sorgfältig die Maße der Leiche zur Bestimmung der Größe des Grabes zunehmen. Daraufhin mussten zwei taugliche Personen der Heimatgemeinde des Verstorbenen die Leiche überführen und, wenn kein Angerhöriger die Leiche begleitete, das Geld für die Diener und die Kasse verwahren.

Die erste Sitzung des Verwaltungsrates des neu gegründeten Begräbnisvereins tagte am Freitag den 13. Juli 1860. Dabei wurden Hirsch Kaufmann (Hainstadt) zum Vorsitzenden, Samuel Strauß (Bödigheim) zum Kassier und Moses Haas (Bödigheim) zum Kontrolleur gewählt. Hinzu kamen Phillip Strauß (Buchen) und Lazerus Lißberger (Kleineicholzheim) als die zwei restlichen Mitglieder des Verwaltungsrates. Schriftführer des Vereins wurde Hauptlehrer S. Ries aus Buchen. Als Vereinsdiener wurde Samuel Steinhardt bestätigt, dem zusätzlich die entsprechenden Paragrafen vorgelesen wurden und es wurde ihm mittgeteilt, dass er wie gewohnt sein Gehalt beziehen werde.

Die Gründung des Begräbnisvereins im Jahr 1860 ging mit einer umfassenden Herstellung und Erneuerung des Friedhofs einher. Bereits im Mai 1860 hatte das Bezirksamt Buchen gefordert, die Umzäunung des Friedhofs herzurichten, einen breiten Weg anzulegen und das ungeeignete Gebüsch zu entfernen. Die Kosten für die Instandsetzung sollten die beitragspflichtigen Gemeinden tragen. Hierzu nahm der Begräbnisverein Mitte Juli 1860 ein Darlehen von 200 Gulden auf. Für die Umzäunung wurde mit dem Arbeiter Unangst aus Bödigheim einen Vertrag geschlossen. Im Frühjahr war die Umzäunung vollendet, zusätzlich wurde ein Graben um den Friedhof gezogen, welcher mit Setzlingen bepflanzt wurde. Zwar hatte der Verein bereits bei der Umzäunung den Vicinalweg (Nebenweg) zum Friedhof planieren lassen, jedoch dauerte es bis Ende Juli 1861 bis das Bürgermeisteramt Bödigheim die versprochene Pflasterung des Weges durchführen ließ.

Zu Beginn des neuen Begräbnisvereines gab es ebenfalls Unstimmigkeiten mit dem christlichen Totengräber des israelitischen Friedhofs. Dem 68-jährigen Franz Löffler von Bödigheim wurde im Sommer des Jahres 1860 vermehrt der Vorwurf gemacht, dass er die Gräber weniger als die vorgeschriebenen 4 Fuß tief machen würde. Die Kritik kam jedoch vor allem von dem Polizeidiener Spöhr, der gleichzeitig der Totengräber der christlichen Gemeinde in Bödigheim war. Das Konkurrenzscharmützel endete schließlich damit, dass das Bezirksamt Buchen verfügte, dass in Zukunft die Gräber für Kinder unter zehn Jahren 5 Fuß tief und für Personen höheren Alters 6 Fuß tief sein müssen. Bei Missachtung drohte ein Bußgeld von 3 Gulden. Franz Löffler blieb bis ins Jahr 1866 Totengräber der israelitischen Gemeinde, danach legte er seine Stelle aus Altersschwäche ab. Ihm folgte erst Georg Unangst Götz, bis dann 1871 Polizeidiener Samuel Schwab den Posten übernahm. Schwab wiederum wurde 1898 nach 27 Dienstjahren von Gottfried Häfner abgelöst.

In den folgenden Jahren nach 1860 kümmerte sich der Begräbnisverein um seine verschiedenen Aufgaben wie beispielsweise die Eintreibung von Rückständen bzw. Strafschulden innerhalb der Vereinsmitglieder. Im Juni 1883 löste der israelitische Begräbnisplatz in Sennfeld dann den Bödigheimer Friedhof für die Gemeinden Adelsheim und Sennfeld ab. Zwar bestätigte das Bezirksamt Eberbach im Juni 1888 neben dem Begräbnisplatz in Hirschhorn den Bezirksfriedhof in Bödigheim, den sie seit Jahrzehnten zu 2/3 benutzte, als Friedhof für die jüdische Gemeinde in Strümpfelbrunn, dennoch machte der Austritt einiger Gemeinden eine Überarbeitung der Statuten notwendig. Die Revision der Statuten, die unter der Leitung des damaligen Verwaltungsrat bestehend aus Leopold Kaufmann (Buchen), Gerichtschreiber Götz Oppenheimer (Buchen), David Sinsheimer (Kleineicholzheim), Moses Krauskopf (Bödigheim) und Aron Messinger (Bödigheim) entstand, wurde am 25. Dezember 1888 fertiggestellt und am 30. Januar 1889 von der Bezirkssynagoge Mosbach in Person Dr. Löwenstein und am 27. April 1889 vom Bezirksamt Buchen genehmigt. Als Mitglieder des Begräbnisverein blieben schlussendlich mit Angeltürn, Bödigheim, Buchen, Eberstadt, Hainstadt, Groß- und Kleineicholzheim, Sindolsheim (mit Rosenberg), Walldürn und Strümpfelbrunn 10 Gemeinden erhalten. Inhaltlich blieb ansonsten vieles ähnlich der Statuten von 1860, außer dass die Währung von Gulden und Kreuzer zu Mark und Pfenning geändert und dass die Gebühren und Löhne entsprechend der zeitgenössischen Finanzsituation angepasst wurden. So erhielt beispielsweise der Vereinsdiener, der nun als Friedhofsverwalter bezeichnet wurde, ein jährliches Gehalt von 40 Mark.

          Bereits nur wenige Jahre darauf, Anfang des Jahres 1893, wurde erneut eine Revision der Statuten erarbeitet, die schließlich am 21. August 1893 von Dr. Löwenstein und am 17. Januar 1894 vom Bezirksamt genehmigt wurde. Grund für diese neuerliche Überarbeitung durch den Verwaltungsrat, zu dieser Zeit bestehend aus dem Vorsitzenden Heinrich Kaufmann (Kleineicholzheim), Götz Oppenheimer (Buchen), Jacob Böttigheimer II (Kleineicholzheim), dem Kontrolleur Moses Krauskopf (Bödigheim) und dem Kassier Aron Messinger (Bödigheim) sowie zusätzlich Lehrer S. Fleischmann (Bödigheim) als Friedhofsverwalter, lag sehr wahrscheinlich in dem Bau einer Leichenhalle und in der Anschaffung eines Leichenwagens, da dies die einzigen, bedeutenden Veränderungen in den Paragrafen sind. Ansonsten wurden lediglich die Gebühren erhöht, für den Bodenraum war nun beispielsweise bei jeder Leiche über 10 Jahre 2 Mark an die Kasse zu zahlen, und neben den 10 Mitgliedgemeinden kamen Jacob Reis aus Eubigheim, Moses Dreifuß aus Eberbach und Leopold Kaufmann aus Mergentheim als einzelne Mitglieder hinzu.

1906 versuchte der israelitische Begräbnisverein Bödigheim sich bei dem Badischen Justizministerium in das Vereinsregister eintragen zu lassen. Dieses lehnte den Antrag jedoch ab, da der Begräbnisverein kein Privatverein, sondern ein öffentlich-rechtlicher, israelisch-kirchlicher Friedhofsverband wäre, der selbständige juristische Korporationsrechte besäße, und nach der Satzung hätten auch einzelne Privatpersonen Miteigentums- und Verfügungsrechte hinsichtlich des Friedhofs.

Nach 1906 bricht dann die schriftliche Überlieferung über den Begräbnisverein ab, sodass nicht zu klären ist, bis wie lange er tatsächlich bestanden hat. Spätestens nach den letzten Beerdigungen auf dem Bödigheimer Friedhof im Jahr 1939 dürfte er nicht mehr existiert haben. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass er bereits zuvor zwangsaufgelöst wurde.

Text entnommen aus:
Kohler, Tobias-Jan: Der israelitische Begräbnisverein & der Leichenwagen von Bödigheim, in: Der Wartturm 2019 Heft 2, S. 11-16.

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